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EU Accessibility Act: Die 8-Punkte-Checkliste für deutsche Websites

30. Juli 202510 Min. Lesezeit
EU Accessibility Act: Die 8-Punkte-Checkliste für deutsche Websites

Der EU Accessibility Act (EAA) verändert die digitale Landschaft grundlegend. Diese europäische Barrierefreiheitsrichtlinie verpflichtet seit dem 28. Juni 2025 Unternehmen dazu, ihre digitalen Angebote für alle Menschen zugänglich zu gestalten[1][2][3]. Was zunächst wie eine zusätzliche Belastung erscheinen mag, erweist sich bei näherer Betrachtung als wertvolle Chance zur Markterschließung und Qualitätssteigerung.

Was ist der EU Accessibility Act?

Der European Accessibility Act ist eine weitreichende EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019, die harmonisierte Barrierefreiheitsstandards für Produkte und Dienstleistungen im gesamten europäischen Binnenmarkt etabliert[1][4][3]. Anders als frühere Regelungen beschränkt sich der EAA nicht auf öffentliche Einrichtungen, sondern bezieht erstmals auch private Wirtschaftsakteure in die Verantwortung für digitale Barrierefreiheit ein[5][6][7].

Die Richtlinie wurde in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt und basiert auf der international anerkannten Norm EN 301 549, welche die bewährten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) auf Konformitätsstufe AA referenziert[8][9][2].

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Warum der EAA für deutsche Unternehmen relevant ist

Deutsche Unternehmen stehen vor einer neuen Realität: Der EAA gilt nicht nur für Unternehmen mit Sitz in der EU, sondern für alle Anbieter, die Verbraucher innerhalb der Europäischen Union bedienen[3][10][11]. Diese extraterritoriale Wirkung bedeutet, dass selbst kleinere Unternehmen betroffen sein können, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind.

Die wirtschaftlichen Dimensionen sind beachtlich. In Europa leben etwa 87 Millionen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, deren Kaufkraft auf rund 800 Milliarden Euro jährlich geschätzt wird[3][5]. Gleichzeitig profitieren von barrierefreien Websites oft deutlich mehr Menschen, da verbesserte Usability, klarere Strukturen und bessere Kontraste auch älteren Nutzern oder Menschen in schwierigen Nutzungssituationen zugutekommen.

Die 8-Punkte-Checkliste für EAA-konforme Websites

1. Tastaturnavigation vollständig implementieren

Eine der fundamentalsten Anforderungen des EAA betrifft die vollständige Bedienbarkeit per Tastatur. Viele Nutzer können keine Maus verwenden und sind auf die Tastaturnavigation angewiesen. Dies bedeutet konkret, dass alle interaktiven Elemente wie Links, Buttons, Formulareingaben und Dropdown-Menüs durch Tastenkombinationen erreichbar und bedienbar sein müssen[12][13][14].

Praktisch umgesetzt wird dies durch sogenannte Skip-Links, die es ermöglichen, schnell zu wichtigen Bereichen der Seite zu springen. Ebenso wichtig ist eine logische Tab-Reihenfolge, die dem visuellen Aufbau der Seite entspricht. Fokus-Indikatoren müssen deutlich sichtbar sein, damit Nutzer immer erkennen können, welches Element gerade aktiv ist.

2. Ausreichende Farbkontraste gewährleisten

Farbkontraste spielen eine entscheidende Rolle für die Lesbarkeit von Inhalten. Der EAA fordert ein Kontrastverhältnis von mindestens 4,5:1 zwischen Text und Hintergrund für normalen Text und 3:1 für große Texte[12][14][15]. Diese Anforderung hilft nicht nur Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, sondern verbessert auch die Lesbarkeit bei ungünstigen Lichtverhältnissen oder auf mobilen Geräten.

Tools wie der WAVE Web Accessibility Evaluator oder der Colour Contrast Analyser helfen bei der Überprüfung der Kontrastverhältnisse. Dabei sollten Unternehmen beachten, dass sich Informationen niemals ausschließlich über Farben vermitteln lassen dürfen – zusätzliche Kennzeichnungen durch Symbole oder Texthinweise sind erforderlich.

3. Alternativtexte für alle nicht-textuelle Inhalte bereitstellen

Bilder, Grafiken, Icons und andere visuelle Elemente benötigen beschreibende Alternativtexte, damit Screenreader-Software diese Inhalte für sehbeeinträchtigte Nutzer zugänglich machen kann[12][13][16]. Ein guter Alternativtext beschreibt prägnant den Inhalt und die Funktion des Bildes im jeweiligen Kontext.

Dabei gilt es zu unterscheiden: Informative Bilder erhalten beschreibende Alternativtexte, während rein dekorative Elemente mit einem leeren Alt-Attribut versehen werden, damit sie von Screenreadern übersprungen werden. Komplexe Grafiken wie Diagramme oder Infografiken benötigen ausführlichere Beschreibungen, die entweder direkt im umgebenden Text oder über zusätzliche Beschreibungsfelder bereitgestellt werden.

4. Semantische HTML-Struktur mit klaren Überschriften aufbauen

Eine durchdachte Informationsarchitektur bildet das Rückgrat barrierefreier Websites. Überschriften müssen hierarchisch korrekt strukturiert sein, beginnend mit einer einzigen H1-Überschrift pro Seite, gefolgt von H2, H3 und weiteren Untergliederungen[12][13][14]. Diese Struktur ermöglicht es Screenreader-Nutzern, schnell durch die Inhalte zu navigieren und sich einen Überblick zu verschaffen.

Semantische HTML-Elemente wie , , und helfen assistiven Technologien dabei, die verschiedenen Bereiche einer Webseite zu identifizieren. Listen werden mit , oder `` ausgezeichnet, und Tabellen erhalten entsprechende Überschriften und Beschreibungen für eine bessere Verständlichkeit.

5. Barrierefreie Formulare mit klaren Beschriftungen gestalten

Formulare stellen oft besondere Herausforderungen dar, da sie für viele geschäftskritische Prozesse wie Bestellungen oder Kontaktanfragen verwendet werden. Jedes Eingabefeld benötigt eine eindeutige, verständliche Beschriftung, die über das ``-Element korrekt verknüpft ist[12][17][13]. Pflichtfelder müssen klar gekennzeichnet sein, und Fehlermeldungen sollten spezifisch und hilfreich formuliert werden.

Besonders wichtig ist es, Nutzern bei Fehlern konkrete Hinweise zur Korrektur zu geben. Statt "Ungültige Eingabe" sollte eine Fehlermeldung beispielsweise lauten: "Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse im Format name@example.com ein." Auch die Gruppierung zusammengehöriger Formularelemente durch und verbessert die Verständlichkeit erheblich.

6. Videos und Audioinhalte mit Untertiteln und Transkriptionen versehen

Multimediale Inhalte erfordern besondere Aufmerksamkeit für Barrierefreiheit. Videos müssen mit Untertiteln versehen werden, die nicht nur gesprochene Worte, sondern auch wichtige Geräusche und Musik beschreiben[17][16][18]. Für komplexere audiovisuelle Inhalte können zusätzlich Audiodeskriptionen erforderlich sein, die visuelle Informationen verbal vermitteln.

Transkriptionen bieten eine textbasierte Alternative zu Audio- und Videoinhalten und kommen verschiedenen Nutzergruppen zugute. Sie ermöglichen es Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, die Inhalte zu verstehen, und bieten gleichzeitig SEO-Vorteile durch durchsuchbare Textinhalte.

7. Responsive Design für verschiedene Endgeräte optimieren

Barrierefreiheit erstreckt sich über alle Endgeräte und Bildschirmgrößen. Responsive Design sorgt dafür, dass Websites auf Smartphones, Tablets und Desktop-Computern gleichermaßen gut funktionieren[16][19][20]. Dabei müssen Schriftgrößen anpassbar bleiben und Inhalte auch bei 200%iger Vergrößerung noch vollständig zugänglich sein.

Touch-Ziele auf mobilen Geräten sollten ausreichend groß dimensioniert sein, um auch Menschen mit motorischen Einschränkungen eine präzise Bedienung zu ermöglichen. Die Mindestgröße für interaktive Elemente beträgt 44x44 Pixel, mit ausreichenden Abständen zwischen benachbarten Elementen.

8. Erklärung zur Barrierefreiheit und Feedback-Mechanismus implementieren

Der EAA fordert von Unternehmen nicht nur die technische Umsetzung, sondern auch Transparenz über den Stand der Barrierefreiheit. Eine Erklärung zur Barrierefreiheit informiert Nutzer darüber, welche Maßnahmen ergriffen wurden und wo gegebenenfalls noch Verbesserungsbedarf besteht[21][22][12].

Ein funktionierender Feedback-Mechanismus ermöglicht es Nutzern, Barrieren zu melden und Verbesserungsvorschläge einzureichen. Dies kann über ein spezielles Kontaktformular, eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer geschehen. Wichtig ist, dass diese Kanäle selbst barrierefrei zugänglich sind und Anfragen zeitnah bearbeitet werden.

Technische Standards und Prüfwerkzeuge

Die Umsetzung der EAA-Anforderungen orientiert sich an etablierten technischen Standards. Die europäische Norm EN 301 549 bildet den rechtlichen Rahmen und referenziert die WCAG 2.1 Guidelines auf Konformitätsstufe AA[23][24][25]. Diese international anerkannten Richtlinien bieten detaillierte Anleitungen für die praktische Umsetzung.

Verschiedene automatisierte Prüfwerkzeuge unterstützen bei der Bewertung der Barrierefreiheit. Der WAVE Web Accessibility Evaluator, aXe von Deque Systems oder der Lighthouse Accessibility Audit in den Chrome Developer Tools identifizieren viele technische Probleme automatisch[12][26]. Allerdings ersetzen diese Tools nicht die manuelle Prüfung durch Experten oder Tests mit echten Nutzern.

Geschäftliche Vorteile der Barrierefreiheit

Barrierefreiheit bringt messbare geschäftliche Vorteile mit sich. Studien zeigen, dass barrierefreie Websites bis zu 20% höhere Conversion-Raten erzielen können, da sie generell benutzerfreundlicher und strukturierter aufgebaut sind[22][5]. Gleichzeitig verbessern viele Barrierefreiheitsmaßnahmen auch die Suchmaschinenoptimierung, da semantische HTML-Strukturen und aussagekräftige Alternativtexte den Crawling-Prozess unterstützen.

Die Investition in Barrierefreiheit zahlt sich auch durch Risikominimierung aus. Während in den USA bereits tausende Klagen wegen unzugänglicher Websites geführt wurden, entwickelt sich auch in Europa ein entsprechendes Bewusstsein für die Rechtsdurchsetzung[27][28][29]. Unternehmen, die proaktiv handeln, vermeiden sowohl rechtliche Risiken als auch Reputationsschäden.

Umsetzungsstrategien für verschiedene Unternehmensgrößen

Die Herangehensweise an die EAA-Umsetzung variiert je nach Unternehmensgröße und -ressourcen. Größere Unternehmen können dedizierte Barrierefreiheitsteams aufbauen und umfassende Audits durchführen lassen. Kleinere Unternehmen profitieren oft von schrittweisen Verbesserungen, die sich auf die wichtigsten Nutzerreisen konzentrieren[30][31].

Externe Dienstleister und spezialisierte Agenturen bieten Unterstützung von der ersten Bestandsaufnahme bis zur vollständigen Umsetzung. Wichtig ist dabei, die Barrierefreiheit nicht als einmaliges Projekt zu betrachten, sondern als kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der in alle Entwicklungs- und Designprozesse integriert wird.

Zukunftsperspektiven und Weiterentwicklung

Der EAA stellt nur den Beginn einer umfassenderen Entwicklung hin zu einer inklusiveren digitalen Gesellschaft dar. Weitere Verschärfungen der Anforderungen sind zu erwarten, ebenso wie die Ausweitung auf zusätzliche Bereiche und Technologien. Unternehmen, die bereits heute über die Mindestanforderungen hinausgehen, positionieren sich vorteilhaft für zukünftige Entwicklungen.

Die Integration von künstlicher Intelligenz und neuen Technologien in assistive Hilfsmittel wird die Möglichkeiten für barrierefreie Nutzererfahrungen weiter erweitern. Voice Interfaces, automatische Bildbeschreibungen und adaptive Benutzeroberflächen werden die Landschaft der digitalen Barrierefreiheit in den kommenden Jahren prägen.

Der EU Accessibility Act markiert einen Wendepunkt in der europäischen Digitalpolitik. Unternehmen, die die acht beschriebenen Punkte systematisch angehen, erfüllen nicht nur ihre gesetzlichen Verpflichtungen, sondern schaffen echten Mehrwert für alle Nutzer. Barrierefreiheit ist kein technisches Add-on, sondern ein fundamentaler Qualitätsstandard für das digitale Zeitalter.

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